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Gesundheit und Krankheit sind grundlegende Themen unseres Lebens. So finden sie auch in der Literatur - fiktiv und faktual - immer wieder Raum. Empathie setzt Verstehen voraus und Verstehen ist über eigenes Erleben oder das Gespräch möglich; aber eben auch über Literatur.

 

Alzheimer - wie die Krankheit sich anfühlt

Braam, S. (2011): >>Ich habe Alzheimer<< Wie die Krankheit sich anfühlt, 5. Auflage, Weinheim, Beltz Verlag.

Ein ebenso berührender wie informativer Einblick in das Erleben eines Mannes, der erlebt, wie die Alzheimer Demenz ihn zunehmend verändert. Sehr lesenswert für alle, die mit der Krankheit in Berührung kommen und das Erleben - auch der Angehörigen, die stets mit betroffen sind und entscheiden müssen, in welcher Weise sie den "Weg ins Vergessen" begleiten können - besser verstehen wollen. Die Besonderheit der Darstellung ist die, dass der Betroffene selbst Psychologe ist und aus dieser Position seine Veränderungen zunächst sehr bewusst und auch kritisch wahrnimmt und reflektiert. Seine Tochter brachte sein Erleben und seine Sichtweise zu Papier. Sie nimmt die Leser mit auf eine Reise, bei der ein Mann zunehmend den Zugang zu seinem bisherigen Leben verliert und sich neu einrichten muss, ungewohnte Abhängigkeiten erlebt und auch erleidet.

Eine gute Vorbereitung und Vertiefung für alle, die mit von Alzheimer betroffenen Menschen zusammen leben und/oder die sie pflegerisch unterstützen und dabei ihre Würde im Auge behalten wollen. Auch zur Diskussion über das Erleben von Betroffenen und Angehörigen sowie Auftrag, Möglichkeiten und Grenzen des Gesundheitssystems (insbesondere Pflegeheim) geeignet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

 

Wir Halbgötter. Bekenntnisse einer Chirurgin

Weston, G. (2012); Wir Halbgötter, Bekenntnisse einer Chirurgin, rowohlt Verlag.

Eine englische Chirurgin berichtet von ihrer beruflichen Entwicklung, von Herausforderungen, Begegnungen, Grenzen und von persönlichem Wachstum. Dabei verzichtet sie weitgehend darauf, als private Person in Erscheinung zu treten. Sie berichtet von der Arbeit im OP oder in der Notaufnahme, von der Kommunikation mit Patienten aller Altersgruppen, vom kollegialen Umgang, von Hierarchien und deren Auswirkungen auf das Miteinander. von Gesundheit und Krankheit oder vom Umgang mit Fehlern. Weston berichtet sachlich über ihr Erleben, sie geht kritisch mit sich selbst und ihrem Kollegium um, ohne ihre Berufsgruppe schlecht zu machen. Ihre periodisch angelegten Berichte sind thematisch geordnet und lassen sich so auch einzeln lesen. Die Autorin schickt voraus, dass es sich nicht um Erfahrungsberichte in dem Sinn handelt, sondern um eine Mischung aus dem. was geschehen kann und dem, was geschehen ist. Das Buch liest sich - zumindest für Personen, die mit dem Gesundheitswesen und seinen Herausforderungen vertraut sind - sehr gut und ist eine Mischung aus Unterhaltung, Berufsreflexion und persönlichem Erfahrungsbericht.

 

Gegen jede Prognose

Almoril, M. (2012): Gegen jede Prognose. Meine Frau brachte nach einem schweren Unfall im Koma ein gesundes Kind zur Welt und kehrte zurück ins Leben, München mvg Verlag.

Der Autor Miguel Almoril erzählt in Form eines persönlichen Berichts aus seinem Leben mit seiner großen Liebe Yuliya. Kurz vor der Hochzeit hat diese einen schweren Autounfall mit Verletzungen, die wenig Hoffnung auf ein Überleben und auf die Rückkehr in das Leben machen, dass die beiden miteinander geführt haben. Zudem ist sie in der 7. Woche schwanger, was die Frage aufbringt, ob sie das Kind austragen kann (zunächst im künstlichen Koma und zudem bei einem großen Bedarf an Medikamenten). Miguel entscheidet sich dafür, für Frau und Kind zu kämpfen. Er kann und will den Gedanken an das gerade begonnene gemeinsame Leben nicht aufgeben. Seine Ausdauer, seine Liebe und seine Hartnäckigkeit in der Begleitung Yuliyas, sowie ein stark unterstützendes privates und berufliches Umfeld zahlen sich aus: Yuliya kehrt immer mehr zu ihm zurück. Das Buch ist einerseits ein persönlicher - kein literarischer - Bericht und andererseits ein Kampf gegen die von ihm erlebten Hürden des Gesundheitssystems, den der Autor auch auf seiner Homepage und bei Auftritten im TV weiter führt. Es ermöglicht Einblicke in Erleben und Sichtweisen eines lebensbejahenden Mannes, der sich auch in dieser sehr schwierigen Lebenssituation für seine Partnerin entscheidet. Und für sein Kind, das gesund zur Welt kommt. Im Nachwort wird ein weiteres Ziel des Autoren deutlich: Der Dank an alle Unterstützenden, an seine und Yuliyas Arbeitgeber sowie an Ärzte und Pflegende für Begleitung und Kompetenz. Die Begegnungen mit diesen Menschen schildert er im Buch.

 

Der Mann, der sein Gedächtnis verlor

Kruse, Kuno (2012): Der Mann, der sein Gedächtnis verlor. Die Geschichte des Jonathan Overfeld, Goldmann.

Nicht zu wissen, wer man ist, die eigene Vergangenheit nicht zu kennen hat Vor- und Nachteile, wie Jonathan Overfeld erkennt. Als die Suche nach seiner Identität erfolgreich ist, die Amnesie zunehmend durch unterschiedlichste Auslöser aufgehoben wird, erfährt er - und mit ihm die Leser - mehr und mehr aus seiner teils erschütternden Vergangenheit. Eine Vergangenheit, mit der er nur schwer leben konnte, was ihm aber mit Hilfe unterschiedlicher Menschen nun immer besser gelingt. Das Leben des ehemaligen Heinkindes Jürgen (= Jonathan) hat so viele Dimensionen und erschütternde Lebensmomente, dass sich der Leser dem kaum entziehen kann. Insbesondere, wenn ihm Situationen von Missbrauch und Gewalt wieder mit aller Wucht ins Gedächtnis treten, kommt man nicht umhin zu verstehen, dass er diese vergessen hat oder auch, dass er einen nicht immer ganz leichten Charakter entwickelt hat. Gleichzeitig wird deutlich. welch starke Persönlichkeit er ist und dass der Rebell trotz aller Versuche ihm dies auszutreiben noch in ihm steckt. Dass vermutlich nicht jedes Moment in genau der Form erinnert wird, wie es war, sondern mitunter durch das Wissen im Moment der Erinnerung gefärbt ist, tut dem Bericht keinen Abbruch. Gleichzeitig beschreibt Kruse, dass die beschriebenen Erinnerungen nicht durch Nachfragen ausgelöst und so evtl. geprägt sind, sondern durch Auslöser wie Musik oder einzelne Worte unvermittelt ins Gedächtnis treten. Bevor Overfelds Identität mit Hilfe von Presseaufrufen geklärt werden kann, bevor er sich zunehmend wieder kennenlernt, steht der Beginn: "Das Erwachen. Der Duft ist ihm zuwider. Er streicht sich über das Kinn. Die Haut ist glatt. Er schnüffelt. Es ist sein eigenes Rasierwasser. Sein Blick gleitet die Knopfleiste hinunter, Weißes Oberhemd, blaue Krawatte, Blazer in gedecktem Blau, dazu Jeans. Das Aftershave irritiert.  Warum sitzt er auf dieser Bank? Was macht er in diesem Park? Er steht auf, geht ein paar Schritte, ist unsicher, irgendwas ist komisch. Aber was? Was ist das für eine  Gartenanlage? Wie ist er hierher gekommen? War er eingenickt? Aber, wo war er denn vorhin? Und, wo will er hin?" so beginnt die Geschichte (S. 7).

Ein fesselndes und informatives Buch von einem erfahrenen Journalisten, der den Protagonisten über Jahre begleitet hat. Der Lesefluss wird teils durch interessante aber den Erzählmodus verändernde Einschübe beispielsweise aus der Gedächtnisforschung unterbrochen. Dies verdeutlicht, wie der Autor Kuno Kruse sich dem Leben des Protoagonisten Jonathan Overfeld auch im wahren Leben auf unterschiedlichen Ebenen angenähert hat,